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Praxisbeispiel Paderborn

Das Projekt „Berufsschulabschluss nachholen“ selbst in die Hand genommen – Förderung der Umschulung zur Kauffrau für Büromanagement beim Unternehmen Autoprinz e.K., Paderborn

Meistens sind es die Unternehmen, die sich zu Qualifizierungen für ihre Beschäftigten bei den zuständigen Agenturen für Arbeit beraten lassen und diese dann auch in die Wege leiten. Das Qualifizierungschancengesetz (QCG) richtet sich aber ausdrücklich auch an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst. Sie finden auf sie abgestimmte Informationen auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit (www.arbeitsagentur.de/karriere-und-weiterbildung). Eine bundesweite Hotline (Hotline Arbeitnehmer: 0800 4555500) stellt einen schnellen Kontakt zu den richtigen Stellen her. Und natürlich bieten auch die Agenturen für Arbeit vor Ort Beratungen zu Weiterbildung und Qualifizierung für Beschäftigte an. Wobei sich die Palette der möglichen Förderungen seit Inkrafttreten des QCG stark erweitert hat. Für Beschäftigte sind nun nicht mehr nur Qualifizierungen möglich, die zu einem Berufsabschluss führen, es können mit dem Instrument auch Anpassungsqualifizierungen gefördert werden.

Eine besonders attraktive Möglichkeit für eine berufliche Qualifizierung ist für Ungelernte, die schon länger in einem bestimmten Beruf arbeiten, die sogenannte Externenprüfung. Das bedeutet, dass sich diese Personengruppe, meistens nach einer entsprechenden Vorbereitung durch einen Lehrgang, zu einer regulären Gesellenprüfung bei einer Kammer anmelden und so mit einem erheblich geringeren Aufwand als über eine normale Ausbildung nachträglich einen Berufsabschluss erwerben kann.

Genau diesen Weg hat Stella Pogarell aus Paderborn beschritten. Sie arbeitet bei dem Paderborner Unternehmen Autoprinz e. K., einem Fahrzeughandel mit ehemals insgesamt sieben Angestellten, der sich ursprünglich vor allem auf den Verkauf von Fahrzeugen ins europäische Ausland spezialisiert hatte. Inhaber Olaf Engemann zog sich aber nach und nach aus dem Geschäft zurück. Das Unternehmen Autoprinz verkleinerte er schrittweise. „Weil sich abzeichnete, dass sich diese Entwicklung in naher Zukunft nicht noch einmal ändert und für mich hier auch nicht die Möglichkeit besteht, mehr als Teilzeit zu arbeiten, habe ich mir gedacht, dass ich bei mir ansetzen muss, um bessere Chancen auf den Arbeitsmarkt zu haben“, erklärt Stella Pogarell.

„Ich bin ohne Ausbildung in den Beruf als Bürokraft hineingerutscht, habe als Freiberuflerin ab 2004 gleich gut verdient und bin dann auch dabei geblieben“, beschreibt sie ihren beruflichen Werdegang. „Eine Ausbildung zu machen, wäre ganz bestimmt schlauer gewesen, aber zu dem Zeitpunkt habe ich das nicht gesehen.“ Als sie im Abstand von zwei Jahren zwei Kinder bekam, arbeitete die heute 41-Jährige rund fünf Jahre nicht. Um besser abgesichert zu sein, wollte sie nach ihrer Elternzeit nicht mehr freiberuflich tätig sein und ließ sich beim Autohaus fest anstellen. Ihr Aufgabenspektrum erweiterte sich zusehends. „In der freiberuflichen Phase wurde ich unter anderem auch im Controlling und als Unterstützung des Fahrzeugverkaufs eingesetzt, später im Verkauf selbst, aber immer schon gehören zu meinen Aufgaben Kundenbetreuung, vorbereitende Buchhaltung, Rechnungsbearbeitung, Zahl-und Mahnwesen, allgemeine Verwaltungsaufgaben und so weiter. Ich habe als das Geschäft langsam heruntergefahren wurde aber erkannt, dass es mir nichts nutzt, dass mein jetziger Chef weiß, was ich alles kann, wenn ich mich irgendwann woanders vorstelle.“ Anfang 2020 nahm Stella Pogarell das Projekt „Berufsabschluss nachholen“ in Angriff.[1] Sie ließ sich bei der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit Paderborn zunächst unverbindlich beraten, wurde dann, als es konkreter wurde, an Thomas Fromme, Arbeitsvermittler und Qualifizierungsberater im gemeinsamen Arbeitgeber-Service (gAG-S) der Agentur für Arbeit und des Jobcenter Paderborn, verwiesen. In ihrer speziellen Situation - alleinerziehend, zwei Kinder, 11 und 13 Jahre alt, entsprechende finanzielle Verpflichtungen - kam es darauf an, eine tragfähige Qualifizierungslösung zu finden, das heißt, eine Lösung ohne große finanzielle Einbußen. Außerdem musste die Betreuung der Kinder durch sie auch weiterhin möglich sein. Thomas Fromme hatte mit der Externenprüfung zur Kauffrau für Büromanagement und der Förderung eines vorbereitenden Lehrgangs nach dem QCG die passende Lösung parat. Die Voraussetzung, dass sie mindestens die anderthalbfache Zeit der normalen Ausbildungsdauer bereits in dem Berufsbild gearbeitet haben musste, erfüllte Stella Pogarell. Weitere wichtige Voraussetzungen: Keine abgeschlossene Berufsausbildung, Schulabschluss, in festem Arbeitsverhältnis, Zustimmung des Arbeitgebers, Freistellung für die Unterrichtszeiten des vorbereitenden Lehrgangs, waren in ihrem Fall ebenfalls gegeben. Auf die Zustimmung ihres Arbeitgebers konnte sie auch deshalb bauen, weil sowohl die Lehrgangskosten als auch die Ausfallzeit über die Förderung nach dem QCG zu 100 Prozent abgedeckt wurden. Für den Inhaber des Unternehmens entstanden also keinerlei Kosten. Und nicht zuletzt fiel auch die Prognose, die die Agentur für Arbeit vorab mit Blick auf die Erfolgsaussichten einer Umschulung abgeben muss, aufgrund der überzeugenden Gespräche und der sehr guten Zeugnisse, die Stella Pogarell vorweisen konnte, positiv aus.

Die Beratung durch die Agentur für Arbeit lobt Stella Pogarell ausdrücklich: „Herr Fromme hat mir aufgezeigt, welche Möglichkeiten es gibt, welche Unterlagen er braucht, und hat mich sehr unterstützt. Ich bin sehr dankbar dafür.“ Wie gesagt: Im Normalfall berät Thomas Fromme meistens Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Oft wenden sie sich an die Agentur für Arbeit, wenn sie Fachkräfte suchen. Da die auf dem Arbeitsmarkt derzeit rar sind, bringt der Arbeitsvermittler und Qualifizierungsberater dann das Gespräch auf die Qualifizierung der Beschäftigten in den Unternehmen selbst. Auch über Telefonaktionen oder bei Veranstaltungen der Kammern stellt die Agentur für Arbeit Paderborn den Kontakt zu Betrieben her und nutzt die Gelegenheit, die Möglichkeiten nach dem QCG vorzustellen. Bisher seien es vor allem Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten, die die Förderung nach dem QCG in Anspruch nehmen, „weil sich rumgesprochen hat, dass für sie die Förderkonditionen besonders gut sind. Grundsätzlich stehen die Möglichkeiten des QCG jedoch Unternehmen jeder Größe offen, eine Kontaktaufnahme lohnt sich also für jeden interessierten Arbeitgeber." Bei den Weiterbildungen stünden vor allem Anpassungsqualifizierungen im Fokus, die zur Nutzung neuer Technologien und Verfahren befähigen. Für den Kreis Paderborn (zum Agenturbezirk gehört darüber hinaus der Kreis Höxter) rechnet Thomas Fromme in diesem Jahr mit mehr als 100 nach dem QCG geförderten Maßnahmen, wobei es sich bei rund einem Viertel um abschlussorientierte Maßnahmen handelt, also Maßnahmen, die zu einem Berufsabschluss führen. Meistens seien die Menschen, die sich für eine solche abschlussorientierte Maßnahme entscheiden, schon „lebenserfahren“.

So auch im Fall von Stella Pogarell. Bei der geförderten Vorbereitungsmaßnahme, die sie absolvierte, handelte es sich um ein zertifiziertes Vollzeit-Online-Angebot der Comcave College GmbH. Der Kurs lief täglich acht Stunden (vier Stunden Seminar/4 Stunden selbstständiges Lernen) von Mai bis Dezember 2020. Dass coronabedingt keine Präsenztage am Comcave College-Standort Bielefeld möglich waren, kam Stella Pogarell sogar entgegen. „Die Kinder morgens zu betreuen und in die Schule zu bringen und danach pünktlich in Bielefeld zu sein – das hätte für mich als Alleinerziehende nicht funktioniert. Und mit dem Online-Lernen hatte ich keine Probleme.“ Der Lehrgang beinhaltete verschiedene Module, in denen jeweils auch Klausuren zu schreiben waren. Stella Pogarell meisterte sie alle mit Bravour. Die Abschlussprüfung bestand sie mit einer glatten Eins.

„Es war viel Stoff, schließlich ging es in den sieben Monaten um das Wissen einer dreijährigen Ausbildung – es war für mich aber nicht so viel Neues, weil ich vorher schon vieles in der Praxis nach dem Prinzip Learning by Doing gemacht hatte“, erklärt sie als nun gelernte Kauffrau für Büromanagement. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt schätzt Stella Pogarell jetzt gut ein. „Ich könnte mir vorstellen, dass ich aufgrund meiner über zehnjährigen Berufserfahrung sogar bessere Chancen habe, als jemand der gerade frisch aus der Ausbildung kommt.“ Für ihre berufliche Zukunft kann sie sich vorstellen in der Branche zu bleiben, wäre aber auch nicht abgeneigt, in eine andere Branche oder zum Beispiel in den öffentlichen Dienst zu wechseln. Stella Pogarell sagt, sie sei flexibel und ihr stünden jetzt durch den Berufsabschluss ja auch mehr Optionen offen als bisher.

Die starke Eigenmotivation und Eigeninitiative von Stella Pogarell hat Thomas Fromme beeindruckt: „Dass sie mit über 40 noch keinen Berufsabschluss hatte, hat Frau Pogarell sehr gestört. Das war in den Gesprächen, die wir geführt haben deutlich zu spüren. Es hat mich gefreut, dass wir mit dem Instrument Externenprüfung, das auch bei Unternehmen noch nicht so bekannt ist, und der Förderung über das QCG Abhilfe schaffen konnten. Erfreulich war auch, dass von der ersten Kontaktaufnahme durch Frau Pogarell über die Abstimmung mit dem Arbeitgeber und das Finden des passenden Bildungsträgers bis zum Berufsabschluss alles glatt und sehr zügig gelaufen ist. Für mich war das so etwas wie ein Idealfall.“

Die Förderung des nachträglichen Berufsabschlusses über das QCG und die Möglichkeit der Externenprüfung bezeichnet Stella Pogarell im Nachhinein als einen Glücksfall: „Für mich war das optimal. Ich hätte sonst eine übliche Ausbildung über drei Jahre in Vollzeit und mit einem sehr niedrigen Gehalt machen müssen. Das wäre für mich als alleinerziehende zweifache Mutter wegen der Kinderbetreuung und auch finanziell praktisch unmöglich gewesen.“ Ihr Tipp für Menschen in einer ähnlichen Situation: „Auf jeden Fall den Schritt machen! Ich kann nur empfehlen, mit der Agentur für Arbeit zu sprechen und sich zu erkundigen, was es für Möglichkeiten gibt. Vielleicht gibt es ja eine Lösung, von der man vorher noch gar nichts wusste – so wie in meinem Fall.“

 

Kontakte
Paderborn_Fromme
Thomas Fromme
Arbeitsvermittler und Qualifizierungsberater
Agentur für Arbeit und Jobcenter Kreis Paderborn
Tel.: 05251 120319
Paderborn.Arbeitgeber@arbeitsagentur.de


Stella Vanessa Pogarell
Tel.: 0152 05330603
Stella@autoprinz.de

 

Ansprechperson in der G.I.B.

Julian Agel
Tel.: 02041 767311
J.agel@gib.nrw.de

 

Autor

Frank Stefan Krupop
Tel.: 02306 741093
Frank_krupop@web.de

 

 


[1] Mit dem im Mai 2020 in Kraft getretenen Arbeit-von-morgen-Gesetz hat der Gesetzgeber einen Rechtsanspruch auf das Nachholen eines Berufsabschlusses eingeführt. Seine Bedeutung für eine nachhaltige Integration wurde damit gestärkt.

 

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Weiterbildung während Kurzarbeit

Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA)

Infotelefon berufliche Weiterbildung

Tel. 0211 837-1929

Erreichbar montags bis freitags von 08:00 - 18:00 Uhr. Es fallen die üblichen Festnetz- oder Mobiltelefonkosten an.

Über das Info-Telefon Berufliche Weiterbildung des Bürger- und ServiceCenter "Nordrhein-Westfalen direkt" erhalten Sie Auskunft zu folgenden Themen:

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Übersicht Förderprogramme

In diesem PDF-Dokument finden Sie eine Übersicht über finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten für berufliche Weiterbildung in Form von Förderprogrammen auf Bundes- und Landesebene.

Beratung

Eine Übersicht über Beratungsmöglichkeiten im Kontext beruflicher Weiterbildung bzw. Entwicklung finden Sie hier.

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